Wofür dieses Projekt?

Egal welches Wahlhilfe System wir uns bisher angesehen haben, alle hatten mindesten einen Mangel: Sie reduzieren die Positionen der Parteien auf eine binäre Alternative: Dafür oder Dagegen. Das verwischt leider wesentliche Unterschiede in zentralen Positionen. Wir wollen mit votetest.org zeigen, dass unser bereits im Jahr 2001 entwickeltes Modell, das mehr als zwei Übereinstimmungsmöglichkeiten zulässt, zu besseren Ergebnissen führt, ohne die Nutzer zu überfordern. 

Wie lange gibt es den Wahltest bereits?

Der Wahltest wurde zum ersten Mal zur Berliner Abgeordnetenhauswahl 2001 eingesetzt und ist damit die älteste Wahl-Empfehlungs-Anwendung in Deutschland. Unsere Auftraggeber waren zunächst Medien, die aber zunehmend keine Perspektive darin sahen, mit einem eigenen Format in Konkurrenz mit dem 2002 gestarteten Wahl-O-Mat zu treten, einer staatlichen Wahl-Empfehlungs-Anwendung der Bundeszentrale für politische Bildung. Anlässlich der Wahlen zum Europäischen Parlament 2019 haben wir ihn mit einem neuen mehrsprachigen Interface "wiederbelebt". 

Wer steht dahinter und was beabsichtigt ihr damit?

wegewerk ist eine Agentur für Non-Profit Kommunikation aus Berlin. Wir sind darauf spezialisert, Zukunftsfragen in die Öffentlichkeit zu tragen - und insofern auf eine funktionierende Demokratie angewiesen. Voting Advice Applications sind da sehr hilfreich, da sie die Wahlbeteiligung nachweislich erhöhen. Wir sind stolz darauf, hier eine Pionierarbeit geleistet zu haben, die immer noch gebraucht wird. Das motiviert uns, das Angebot auch ohne Auftraggeber und ohne politische oder kommerzielle Mission aus Eigenmitteln aufrecht zu erhalten. Die Software wir auch weiterhin Verbänden als White-Label-Lösung an, mit der sie ihre Mitglieder zur Wahl mobilisieren, verbandsspezifische Themen ergänzen und die Positionen der Parteien kommentieren können - dies aber immer unter eigenem Design und nie als "Wahltest"/"Votetest". 

Warum werden nicht alle Parteien zur Auswahl angeboten?

Wir werden von niemandem finanziell unterstützt und können daher nur begrenzt Energie in das Projekt stecken. Unser Ansatz, Fragen aus den Programmen abzuleiten und nicht selbst aufzustellen hat neben vielen Vorteilen den Nachteil, dass die Recherche mit jeder weiteren Partei/Kandidatur komplexer wird, auch weil kleinere Parteien oder Kandidaturen mit Außenseiterchancen nur selten umfassende Programme vorlegen. Damit wir bei der Auswahl mit einem klaren, transparenten Kriteirium arbeiten, haben wir nur Parteien / Kandidaturen berücksichtigt, die in jüngeren Meinungs-Umfragen Aussicht auf einen bestimmten Prozentsatz an Stimmen hatten (z.B. 5%, was in Deutschland auch der Sperrklausel entspricht, ab der Parteien ohnehin nicht ins Parlament einziehen). 

Wer hat die Fragen ausgewählt?

Die Fragen beim Wahltest werden von einem Team von Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftlern zusammengestellt. Bei der Auswahl der Themen orientierten wir uns an den Ergebnissen von Umfragen zu den wichtigsten Wahlthemen (z.B. mit der Umfrage "Wichtige Probleme in Deutschland" der Forschungsgruppe Wahlen beim Wahltest DE-2021). Zu diesen werden im nächsten Schritt die Wahlprogramme auf konkrete und unterscheidbare Aussagen untersucht. Bevorzugt werden Vorschläge, zu denen sich alle oder fast alle Parteien in den Wahlprogrammen äußern. Fehlende Aussagen in den Programmen werden ggf. ergänzt durch Aussagen aus Gesetzesvorschlägen, Parteitagsbeschlüssen oder eindeutigen medialen Positionierungen von Spitzenpersonal der relevanten politischen Ebene oder entsprechenden Dokumenten anderer politischer Ebenen (in dieser Reiehnfolge). Vorschläge einzelner Parteien nehmen wir nur dann auf, wenn diese bereits relevantes mediales Echo in Leitmedien erhalten haben (z.B. der Austritt aus der EU beim Wahltest DE-2021). Wo abstrakte Vorschläge bereits von anerkannten Forschungsinstituten auf ihre konkrete Wirkung unstersucht wurden, arbeiten wir auch mit diesen Ergebnissen (z.B. beim Thema Steuern für Reiche beim Wahltest DE-2021).

Beim Wahltest EU-2019 wurden die Fragen von der Bundeszentrale für politische Bildung für den Wahl-O-Mat formuliert. Die Antworten haben wir von den Antworten der Parteien im Wahl-O-Mat übernommen und ggf. durch Aussagen aus den Wahlprogrammen ergänzt. Wir haben die Fragen so übernommen, damit die Ergebnisse des Wahltest mit denen des Wahl-O-Mat vergleichbar werden. 

Beim Wahlcheck DE-2013 wurden die Fragen von mit unserem damaligen Auftraggeber verbraucherzentrale Bundesverband formuliert. Diese sollten Verbrauchern als interaktive Wahlprüfsteine dienen. Das Angebot verfolgte nicht den Anspruch einer umfassenden Programmanalyse.

Beim Wahlcheck DE-2009 wurden die Fragen mit unseren damaligen Auftraggebern ver.di und NGG formuliert. Diese sollten deren Mitgliedern als interaktive Wahlprüfsteine dienen. Das Angebot verfolgte nicht den Anspruch einer umfassenden Programmanalyse.

Warum nehmt ihr auch extremistische Parteien / Kandidaturen auf?

Hier geht es nicht um unsere Meinung, sondern um die der User. Wir können nicht in Anspruch nehmen, ehrlich zu beraten, wenn wir relevante Optionen ausblenden. Wir sind aber überzeugt, dass gerade das bessere Aufzeigen von Unterschieden im Angebot dem Reiz von radikalen Alternativen entgegen wirkt. Weiterhin verfolgen wir das Prinzip, keine Forderungen aus einzelnen Programmen aufzunehmen, wenn diese nicht zumindest über Leitmedien einen öffentlichen Widerhall gefunden haben - damit verhindern wir, dass wir Themen erst durch den Wahltest/Votetest zu einer Öffentlichkeit verhelfen, die sie ansonsten nicht hätten. 

Welche Qualitätsstandards erfüllt der Wahltest?

Der Wahltest erfüllt alle Anforderungen der Lausanne Declaration on Voting Advice Applications, die Einschränkung der Parteien ist praktisch begründet und erfolgt aufgrund transparenter Kriterien. Mit der Bindung an demoskopische Daten im Sinne einer höchstmöglichen Transparenz bei der Themenauswahl geht der Wahltest zudem über diese Anforderungen hinaus. 

Habt ihr euch das alles alleine ausgedacht?

Ehre, wem Ehre gebührt: Inspiration für Idee eines anonymisierten Vergleichs von Parteiprogrammen war ein Radiobericht über ein Projekt der Universität Passau in den späten 90er Jahren. Unsere Idee war, daraus eine Software zu machen. Und danke für die Visualisierung der ausklappbaren Balken in der Auswertung, die wir ähnlich wie beim Voteswiper umgesetzt haben (um so auch mobil unbegrenzt viele Parteien auswerten zu können).