Acht Personen in einer Videokonferenz, die unterschiedliche Dinge tun. Beispielsweise halten Personen eine Kaffeemaschine oder Pflanzen in die Kamera, eine Person ist draußen und wieder eine andere hat eine 3-D-Brille auf.

„Hallo… hallo, hörst du mich?“ Dieser Satz steht wie kein anderer für die Art der Kommunikation, die in den letzten zwei Jahren überall – ob im Job, in Gewerkschaften, der Schule, Initiativen oder in sozialen Bewegungen – Einzug erhalten hat. Die Videokonferenz.

Mit Beginn der Pandemie im Jahr 2020 verzeichnete beispielsweise der Videokonferenz-Anbieter Zoom einen rasanten Anstieg von täglichen Nutzungen. Im März 2020 nutzten 200 Millionen Menschen Zoom pro Tag, im April 2020 waren es bereits 300 Millionen. Zum Vergleich: 2019 nahmen täglich 10 Millionen Personen an Videokonferenzen auf der Plattform teil. Laut Statista nutzen 72 Prozent der Unternehmen Videokonferenzen mindestens häufig und jede*r fünfte Befragte führte während Corona 5–9 Stunden pro Woche Videogespräche. Ob man in einer Videokonferenz Gehör findet, hängt in Teilen vom technischen Equipment ab. Aber nicht nur. Welche Hürden gibt es für eine gelungene Kommunikation via Videokonferenz?

Ungleiche Ausgangsbedingungen

Die Rahmenbedingungen sind mitunter sehr ungleich. Beengte Räumlichkeiten oder zu Hause zu betreuende Kinder erschweren eine konzentrierte Teilnahme an Videokonferenzen. Die Internetverbindung macht vielen ebenfalls einen Strich durch die Rechnung: Rund ein Drittel aller Menschen in Deutschland kämpft mehrmals pro Woche mit einer schlechten Internetverbindung. Auch die Vorerfahrungen im digitalen Raum sind ausschlaggebend dafür, wie gut der Umstieg funktioniert.

Um allen die gleichen Chancen zur Teilnahme an Videokonferenzen zu ermöglichen, hilft es, über die Hindernisse und Probleme offen zu sprechen, als Organisator*in aufmerksam zu sein, und, sofern möglich, Lösungen zu organisieren.

Wer am lautesten redet…

Ein altbekanntes Problem in Videokonferenzen: Man setzt an, um zu sprechen oder legt eine kurze Redepause ein und jemand anderes ergreift das Wort. Das kann unterschiedliche Gründe haben. Durch eine langsame Internetverbindung besteht manchmal ein Versatz - was als „ins Wort fallen“ rüber kommt, aber so gar nicht gemeint ist.

Nicht immer sind technische Gründe Schuld an einem unausgeglichenen Redeverhalten. Oft melden sich bei Treffen immer die gleichen. Wieder andere trauen sich nicht, sich zu Wort zu melden. So sind einige Perspektiven sehr präsent, andere gehen unter. Das Treffen verläuft träge und einseitig. Und sorgt für Frust bei allen Beteiligten.

Dieses sog. „dominante Redeverhalten“ hat unterschiedliche  Erscheinungsformen: „Nicht-Ausreden-Lassen“, Einzelne dominieren das Gespräch oder ‚leisere‘ Stimmen werden nicht wahrgenommen. Das hat viele Ursachen: Personen haben unterschiedlich viel Übung im Sprechen vor Gruppen und auch Machthierarchien in Gruppen – auch zwischen Geschlechtern - können dazu führen, dass Redeanteile unausgeglichen sind.

Bei der Planung von Videokonferenzen sollte daher besonderes Augenmerk auf diese Dynamiken gelenkt werden. Denn da man sich nicht in einem Raum befindet, können sich Teilnehmende schnell allein (gelassen) fühlen. Was braucht es für ein Online-Treffen, in dem alle mitgenommen werden, zu Wort kommen, am Ball bleiben und sich gesehen fühlen?

How to tackle dominantes Redeverhalten?

Eine Vorstellungsrunde zu Beginn stellt sicher, dass jeder und jede einmal spricht, sich mit der Technik vertraut machen kann und gibt allen Anwesenden ein Gefühl dafür, wer sich im Raum befindet. Klare Vereinbarungen zum Gesprächsumfeld und -ablauf geben einen guten Rahmen: Wer moderiert das Treffen? Wie meldet man sich? Gibt es einen klaren Ablauf für das Treffen?

Um dominantem Redeverhalten vorzubeugen, bieten sich formale Verfahren wie bspw. eine sog. doppelt quotierte Redeliste an. Das eine Ziel ist dabei zum einen die Redeanteile der Geschlechter anzugleichen: Stehen beispielsweise nur Männer auf der Redeliste und es meldet sich eine Frau*, kann diese sich mit einem vorab abgesprochenen Handzeichen melden und wird „hineinquotiert“.Zum anderen sollen dabei nicht immer die Gleichen zu Wort kommen. Meldet sich eine Person, die bereits gesprochen hat, und eine, die noch keinen Redeanteil hatte, wird daher die Person, die noch nicht gesprochen hat, ebenfalls vorgezogen. Diese Maßnahme ist jedoch kein Allheilmittel und ersetzt nicht die Reflexion über den Ursprung von Dynamiken wie dominantem Redeverhalten, Macht- und Wissenshierarchien in Gruppen.

Um alle mitzunehmen, ist neben Formalia vor allem Abwechslung gefragt. Ein guter Methodenmix ermöglicht eine angenehme Atmosphäre für die unterschiedlichen Teilnehmenden. Viele Anbieter von Videokonferenzen machen die Arbeit in Kleingruppen oder sog. Break-Out-Rooms möglich. Break-Out-Rooms können genutzt werden, um in „Murmelrunden“ Verständnisfragen und erste Diskussionsfragen nach einem Input zu sammeln oder um Fragestellungen vorzudiskutieren. Dadurch ermöglicht man ein ungezwungeneres und niedrigschwelligeres Gespräch und aktiviert Teilnehmer*innen. Diejenigen, die sich unwohl dabei fühlen, Gedanken und Argumente in einer großen Gruppe vorzutragen, bekommen so die Möglichkeit, diese erst mal in kleiner Runde zu besprechen.

Gegen Zoom-Müdigkeit...

Eine weitere Hürde für gute Treffen via Videokonferenz ist die ‚Zoom Fatigue‘. Damit gemeint ist: Videokonferenzen strengen sehr viel mehr an als Präsenztreffen. Wissenschaftler*innen der Stanford Universität haben in einer Studie nachgewiesen, dass das mit der Intensität einer Videokonferenz zusammenhängt. Man sieht sich durchgehend selbst, muss Signale wie ein zustimmendes Nicken sehr viel stärker senden und ist potentiell durchgehend unter Beobachtung.

Bei der Planung einer Videokonferenz sollte das mitgedacht werden. Abhilfe schaffen kurze Pausen. Außerdem empfiehlt die Studie: Ruhig öfter mal die Kamera ausmachen und ein paar Schritte durch den Raum gehen.

... und Kreativitätsloch

Videokonferenzen mindern außerdem die Kreativität. Denn die mentale Fokussierung auf den Bildschirm anstatt auf geteilte Wahrnehmungen in einem Raum soll sich nachteilig auf die Kreativität auswirken. Eine Möglichkeit, um dem kreativitätsmindernden Effekt von Videokonferenzen etwas entgegenzusetzen und dabei alle mitzunehmen, ist der Rückgriff auf schriftliche Übungen. Alle schreiben erst mal für sich Ideen und Gedanken auf, diese werden bspw. in einem Miro-Board festgehalten. Auf dieser Grundlage kann die weitere Diskussion strukturiert werden. Vorteil: Man kann auch mal ein paar Schritte durch den Raum gehen, die Arme ausschütteln und erst mal Gedanken sortieren.

Fazit

Um zu erfahren, was gut geklappt hat und wo es Verbesserungspotenzial gibt, bieten sich Feedbackrunden am Ende eines Treffens an. Generell gilt: Eine gute und klar kommunizierte Struktur, offene Augen und Ohren tragen dazu bei, dass sich alle einbringen können. Disziplin ist wichtig: Nur wenn sich alle an die Regeln halten, ist ein frustfreies Treffen möglich.

Auch wir versuchen, uns zu verbessern und allen Stimmen Gehör zu verschaffen. Was sind eure/Ihre Erfahrungen? Gern unterstützen wir bei der Planung von Workshops und Abstimmungsrunden. Sprechen Sie uns gerne an!