Andreas Gaiser (1971-2020)

Andreas genoss bei uns einen ganz besonderen Status. Das lag nicht nur daran, dass er unser dienstältester Mitarbeiter war, sondern auch daran, dass er bei uns allen etwas gut hatte.

Als Andreas im Januar 2004 bei wegewerk anfing, war er der einzige Mitarbeiter unseres "Technikteams". Wenige Monate zuvor hatte sich unser bisheriger Technikleiter selbstständig gemacht und seine Kollegen mitgenommen. Zwischen Weihnachten und Neujahr saß ich deshalb allein in der Agentur und versuchte mit dem Code unseres selbst entwickelten Content Management Systems "ww.edit", einer dürftigen Installationsanleitung und meinen verbliebenen HTML-Kentnissen eine Website zu launchen. Als Andreas kam, sah und sagte "ich kann das reparieren", fiel mir ein Felsblock vom Herzen.

Anschließend nahm Andreas, was er an Code vorfand, und realisierte damit erstmal ein Großprojekt. Er machte sich das System zu eigen und schwor das in den nächsten Jahren wachsende Team auf ww.edit ein. Vielleicht nicht zuletzt Dank seiner damals bereits unorthodoxen Arbeitsmethoden wuchs der Leistungsumfang schnell, ohne dass Installationsaufwand und Fehleranfälligkeit merklich zunahmen. Ein großer Faktor für unsere wirtschaftliche Entwicklung in den Folgejahren. Als wir 2010 als eines der am schnellsten wachsenden Tech-Unternehmen gekürt wurden, war für mich klar: Zur Preisverleihung gehe ich mit Andreas.

Mit ww.edit bauen wir auch heute noch Websites, auch wenn das Geschäft mit TYPO3 irgendwann größer wurde. Um den immer komplexer werdenden Anforderungen an unsere eigene Infrastruktur und der unserer Kunden gerecht zu werden, wurde Andreas' Nebenjob des Systemadministrators sukzessive zu seinem neuen Hauptjob. Sein Verständnis des Internets war so tiefgreifend wie seine Skepsis gegenüber dessen nicht immer positiven Entwicklungen. Für meine Sensibilisierung in Sicherheitsfragen war das ein Segen. Andreas erklärte mir Teergruben und Rainbow-Tables und zwang mich, Abschied von liebgewonnenen Passwörtern zu nehmen.

Seine anfängliche Ungeduld mit jenen, die nicht ganz so bewandert in der Materie waren wie er, wich später einer neuen Entspanntheit. Vielleicht wegen des Buddhismus. Oder der Begegnung mit seiner Frau. Oder beidem. Seine auf Arbeit getragenen und oft von uns belächelten Hausschuhe täuschten nicht über sein unerschütterliches Verantwortungsbewusstsein hinweg. Musste er morgens erstmal mit seinem Wellensittich zum Tierarzt, so saß er abends als letzter im werk und sorgte dafür, dass wir arbeiten konnten. Und im Notfall konnte er uns bei einem Ausfall sogar aus einem seiner liebsten Urlaubsziele in Indien aus der Klemme helfen.

Wie zuvor fand Andreas auch als Systemadministrator seine ganz eigenen Lösungen für uns und unsere Kund*innen. Für ein Projekt zum Whistleblowing entwickelte er ein eigenes Intrusion-Detection-System, er überarbeitete Ausfallsicherheitslösungen und ermöglichte uns durch Überkreuz-Sicherung, Reserve-Server abzuschalten, die bislang unnötig Energie geschluckt hatten. Und erst kürzlich realisierte er eine Skalierungsfunktion, die uns unabhängig von Amazon & Co. macht.

Inzwischen diskutiert man auch in der IT-Branche über Nachhaltigkeit. Wie technische Lösungen effizienter und nachhaltiger werden, Energie sparen und letztlich das Klima schonen können, hatte Andreas lange vor vielen anderen beschäftigt. Um so trauriger macht mich, dass sein Wissen und seine Fähigkeiten für diese Diskussion nun nicht mehr zur Verfügung stehen.

Nach vier Monaten Kampf mit dem Krebs ist er am 21. Januar 2020 gestorben.

Andreas, wegewerk bleibt dir untrennbar verbunden.