CO2-Emissionen eines Flugzeugs: im Schnitt knapp dreimal klimaschädlicher als die eines Autos.

Der Sommer stellt uns jedes Jahr vor ganz neue Herausforderungen: Damit man in unseren nicht klimatisierten Arbeitsräumen halbwegs arbeiten kann, muss irgendwie kühle Luft rein. Davon gibt es im Sommer in den letzten Jahren in Berlin nicht viel, am meisten noch gegen 05:00 Uhr. Während ich an solchen Tagen im Morgengrauen ins werk fahre, um die Fenster aufzureißen, stelle ich mir die Frage: Bleibt das jetzt so? Und: Bei wie viel Grad Erderwärmung sind wir eigentlich schon?

Bei der Suche nach Gradzahlen stößt man schnell auf die jüngeren Studien zum Klimawandel und zu den potenziellen Domino-Effekten: Dass aufgetaute Permafrost-Böden klimaschädliches Methan emittieren, dass erwärmte Meere viel weniger CO2 absorbieren können und abgeschmolzene Eisflächen weniger Sonnenstrahlung reflektieren. Dass wir eher 1,5 Grad als zwei Grad maximale Erwärmung anstreben und die Dekarbonisierung unseres Lifestyles eher 2030 als 2050 abschließen sollten. 

Carbon Offsetting - mehr als Kosmetik?

Über die globale Erderwärmung und seine menschlichen Ursachen denken wir natürlich nicht erst seit letztem Sommer nach. Seit seiner Gründung bezieht das werk Strom aus erneuerbaren Energien und seit etwa 2002 kompensieren wir den CO2-Effekt von Geschäftsflügen mit "Carbon Offsetting", also Spenden für Klimaschutzprojekte. Gut für's Gewissen und das Marketing - den Klimawandel haben wir damit aber nicht gestoppt. Im Gegenteil: Zum steigenden Anteil des Sektors Flugverkehr an den Gesamtemissionen haben auch wir beigetragen. 

Keine Ausreden mehr

Natürlich sind die Anreize falsch: Fliegen ist zu günstig und Bahnfahren zu teuer - und das zu ändern ist Aufgabe der Politik. Die wiederum - so scheint uns nach Beobachtung der letzten drei Wahlkämpfe und Koalitionsverhandlungen - scheint zu zögern, wenn sie in der Zivilgesellschaft keine Bereitschaft zu Einschränkungen sieht. Eine Situation wechselseitiger Paralyse, in der eine*r den ersten Schritt machen muss. 

Richtig ist auch, dass der Flugverkehr mit fünf bis acht Prozent einen kleineren Anteil an der Erderwärmung hat als die Kohleverstromung oder die Ernährung mit Produkten aus der Tierhaltung. Berücksichtigt man, dass der Flugverkehr im Wesentlichen von drei Prozent der Weltbevölkerung verursacht wird und betrachtet seinen eigenen Carbon Footprint sieht das aber in der Regel anders aus: Ein Geschäftsflug nach z.B. Stuttgart (hin und zurück) kostet bereits zehn Prozent des jährlichen persönlichen CO2-Budgets von 2,7 t CO2. Und nur sechs solcher Geschäftsreisen zu zweit belasten unsere jährliche Firmen-Klimabilanz bereits mehr als die Beheizung unserer knapp 500 qm großen Geschäftsräume.

Unsere No Fly Policy

Wir sind bereit etwas zu ändern. Wir sind bereit uns und unseren Kund*innen eine kompliziertere Terminfindung und erläuterungsbedürftige Spesenabrechnungen zuzumuten, bereit, der Work-Life-Balance der Mitarbeiter*innen mehr Reisezeit zuzumuten. Wir sind sogar bereit auf Geschäftsoptionen zu verzichten, wenn diese Flugverbindungen erfordern. Unsere Prämisse heißt daher: Wir fliegen nicht mehr! 

Wie das geht, werden wir sehen. Für einen Tagesworkshop in Wien haben wir schonmal den neuen Nightjet ausprobiert. Für die TYPO3-Schulung im Südhessischen, die pünktlich um 10 beginnen musste, ein Hotel vor Ort. Einem potenziellen Kunden aus der Schweiz haben wir mitgeteilt, dass wir beim Pitchtermin nicht flexiblel sind, da wir nur mit dem Zug anreisen. Das war kein Problem. 

Zum Glück sind wir nicht ganz allein: Für die Wintersaison 2017/18 hat sich der Biathlet Björn Ferry zu einem Reporterjob verpflichten lassen - jedoch nur unter der Bedingung, dass er zu den Events nicht fliegen muss. Bei den für ihre Trendaffinität bekannten Schweden hat das scheinbar Schule gemacht: 2018 ging die Zahl der Inlandsflüge zurück während sich die Nachfrage nach Nachtzugverbindungen auf bestimmten Strecken verdoppelt hat. Auch in der globalen Klimaforscher-Community setzte 2018 mit dem #flyingless Appell eine gewisse Selbstreflektion ein. Hoffentlich schließen sich dem Trend schnell viele weitere an. Damit unübersehbar wird, dass die Gesellschaft zum Handeln längst bereit ist.